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#1 2014-12-06 15:34:17

Wykopek

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Zarejestrowany: 2014-12-06
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Miko³ów 1945

Durchbruch bei Nikolai
Panzerjäger im oberschlesischen
Industriegebiet
Hinweis: Die Anmerkungen finden Sie am Ende dieser
Ausgabe
Januar 1945. Die Russen starten aus dem BaranowBrückenkopf
ihre gewaltige Offensive, um die Reste der
Wehrmacht endgültig zu besiegen. Ihnen gegenüber
stehen zumeist schlecht ausgebildete und ausgerüstete
Einheiten des Volkssturms oder hastig zusammengezogene
Alarmkontingente, die jedoch beide als „reguläre“
Truppen in den Kampf geworfen wurden. Nur noch
wenige kampfstarke Verbände hat die deutsche Seitezur Verfügung, jedoch sorgen gerade diese immer
wieder für eine kurze Stabilisierung der Front. Einer
von ihnen ist die schwere (Heeres)-Panzerjäger-Abteilung
88, deren Kampfschicksal der Autor, ein Angehöriger
dieser Einheit, nach eigenen Erlebnissen und
Erzählungen seiner Kameraden schildert. Für viele von
ihnen sollte es keine Rückkehr in die Heimat geben,
sondern ein Grab in kalter Erde.
Die Redaktion
6/111Viele Stunden hatte Feldwebel Noth1)
nun schon in bleierner
Bewußtlosigkeit auf einer Sanitätstrage gelegen, die im einzigen
Raum einer baufälligen polnischen Hütte stand. An dem Zucken
seiner Augenlider war zu erkennen, daß er nun um das Wachwerden
kämpfte. Erinnerungsfetzen zuckten durch sein Gehirn:
… da war eine Geburtstagsfeier bei seinem Freund, dem
Hauptfeldwebel Höhne von der Stabskompanie –welch ein
furchtbares Besäufnis … Dabei hatte die Großoffensive des
Russen am Vortag (12. Januar 1945) am Baranowbrückenkopf
begonnen, aber daran hätte man auch mit nüchternem Schädel
nichts ändern können … Immer neue Trinksprüche wurden ausgesprochen
und wieder und wieder Flaschen geleert … Auf einmal
gab’s nur noch selbstgebrannten polnischen Kartoffelschnaps,
diesen lausigen Samagonka. Das üble Gelage glich
einer Mischung aus Freude am Geburtstag – „Kinder, man wird
nur einmal 30“ – und Furcht vor der Zukunft – „Diesmal macht
der ‚Iwan‘2)
uns zur Schnekke, in Sibirien gibt’s keinen
Samagonka mehr“.
Die Feier wurde langsam zur Orgie, da schrie ihm jemand ins
Ohr: „Feldwebel, Sie sollen sofort nach Leki Dolne zurück, die 2.
Kompanie hat Abmarschbefehl.“
Was wollte der Kerl? – Nur mühsam hatte er mit seinem umnebelten
Hirn den Sinn der Worte begriffen, dann stand er glücklich
auf wackeligen Beinen und wurde von dem Gefreiten
gestützt, der ihm den Befehl ins Ohr gebrüllt hatte. Die eiskalte
Luft draußen machte seinen Kopf etwas klarer. Er mußte zun-
ächst von Leki Dolne nach Korshilow, wegen der albernen Benzinrationierung.
Der Gefreite brachte den Zossen und half ihm
hinauf, langsam zuckelte er los. „Sie müssen in die andere Richtung,
Herr Feldwebel“, brüllte es hinter ihm her.
Mühsam hatte er das Pferd herumgedreht, ritt durch einen
Wald, der Weg war durch den Schnee gut zu erkennen. Dann
Zuckeltrab. O Gott, beim Hopsen auf dem Pferderücken verspürte
er jeden Stoß als schmerzhaften Stich in seinem Schädel.Am Waldrand war auf einmal irgend etwas, das sein Pferd erschreckte.
Es machte einen Sprung zur Seite. Er konnte sich nicht
halten und fiel, und von da an setzte die Erinnerung aus …
Feldwebel Noth öffnete die Augen. Das spärliche Licht, das
durch die winzigen Fenster hereinfiel, genügte, um einen neuen
Aufruhr in seinem Gehirn auszulösen. Stöhnend deckte er die
Augen mit seinen Händen ab …
„Na, wieder auferstanden von den Scheintoten, Herr Feldwebel?“
ertönte es neben ihm.
Noth warf einen vorsichtigen Blick zur Seite. Ein ihm völlig
fremder, feldmarschmäßig ausgerüsteter Landser stand neben
seinem Lager und feixte über das ganze Gesicht.
„Sie hat es vielleicht erwischt“, fuhr der andere fort, „seit 14
Stunden liegen Sie hier nun schon wie ein Toter. Ich möchte zu
gern wissen, war das nun der Suff oder der Sturz?“
Der Feldwebel setzte einige Male zum Sprechen an, dann war
er wenigstens so klar, um etwas sagen und eine Frage stellen zu
können: „Mann, ist mir’s schlecht. Wo bin ich denn eigentlich,
und wie komme ich hierher?“
„Dachte ich mir’s doch, er weiß von nichts. Also, ganz kurz: Sie
sind in Mosny. Hier hat der Divisionsstab der 359. Infanteriedivision
(ID) gelegen. Ist aber schon alles abgerückt. Die Division
wurde nach Norden an den Weichselbogen geworfen. Sie hat die
dankbare und bestimmt ganz einfache Aufgabe, die russische
Großoffensive zu stoppen.
Weiter: Sie wurden gestern auf der Straße nach Korshilow bewußtlos
gefunden. Hätten sich auch ’ne bessere Schlafgelegenheit
aussuchen können. ’ne Stunde später und Sie wären glatt erfroren.
Sind Sie von irgendwas heruntergefallen?“
„Ja, vom Pferd“, warf Noth seufzend ein.
„Ach so, deshalb“, grinste der Infanterist, „ein Gaul wurde aber
nicht gefunden. Sie waren, mit Verlaub gesagt, voll wie tausend
8/111Mann und stanken wie ’ne Schnapsdestille. Vom Sturz müssen
Sie aber noch ’ne tüchtige Gehirnerschütterung dazubekommen
haben. Sie haben eine mächtige Schramme und ein Horn auf dem
Kopf, daß Ihnen kein Hut mehr paßt. Von welchem Verein sind
Sie denn eigentlich davongelaufen?“
„2. Kompanie, Panzerjägerabteilung 88 in Leki Dolne
Podlesie.“
„Oh, da sind Sie aber ganz schön vom Weg abgekommen. Von
hier sind es doch glatte 15 Kilometer bis dahin.“
Der Infanterist richtete sich auf.
„Doch nun muß ich Sie allein lassen, Herr Feldwebel. Meine
Kameraden sind schon längst weg, und ich bin nur zurückgeblieben,
damit Sie nicht vom Russen kassiert werden. Die
Front wird nämlich hier bis zur A-1-Stellung zurückgenommen.“
„Mit meinem Brummschädel schaffe ich die 15 Kilometer
nicht. Können Sie mich nicht ein Stück mitnehmen?“ fragte der
Feldwebel.
„Ich hab’ ’ne Solomaschine. Wenn Sie mir versprechen, nicht
wieder hinunterzufallen, können Sie hinten aufsitzen. Ich kann
dann auch über Leki Dolne fahren. Ich fress’ aber ’nen Besen,
wenn Ihr Haufen noch dort ist. Hier hab’ ich übrigens ein paar
Aspirin für Sie, hoffentlich helfen die.“
Die Fahrt nach Leki Dolne Podlesie war für Noth eine einzige
Tortur, jedes Schlagloch eine Qual. Erst allmählich wurde es mit
seinem Kopf besser, vielleicht durch die Pillen. Als der Infanterist
ihn in Leki Dolne absetzte, konnte er wieder einigermaßen klar
denken.
Von den Panzerjägern fand er keine Spur mehr. Verzweifelt
lief er von Hütte zu Hütte, kein deutscher Soldat war zu sehen.
9/111Schließlich traf er den Ortsvorsteher. Dieser war im Ersten
Weltkrieg in deutscher Gefangenschaft gewesen, in München.
Deshalb konnte er gebrochen Bayerisch sprechen. Von ihm erfuhr
Noth, daß die Kompanie in den Abendstunden abgerückt sei.
„Pan Pfeil mit Hund warten auf Feldwebel bis früh, dann
wegfahren.“
Der Obergefreite Pfeil war der Kompaniemelder. Er fuhr eine
Beiwagenmaschine und hatte immer einen Spitz bei sich, der auf
dem Beiwagen hockte. Der Hund war ein wahrer Akrobat. Trotz
der rasanten Fahrweise seines Herrchens fiel er nur ganz selten
von seinem Stammplatz herunter. Ebenso frech wie mutig, verteidigte
er Herr und Maschine, der sich niemand zu nähern traute.
Den Feldwebel hatte er jedoch in sein kleines Hundeherz
geschlossen.
Bis heute früh hatte Pfeil also auf ihn gewartet. Noch nie hatte
Noth sich so sehr nach dem Spitz und dessen Herrn gesehnt, wie
in diesem Augenblick. Da stand er nun einsam und verlassen in
dem polnischen Kaff, seine Kompanie war schon fast einen ganzen
Tag unterwegs, vielleicht am Feind. Er wußte nicht mal, wo er
sie suchen sollte. Der Chef hatte offenbar extra seinetwegen den
Melder zurückgelassen. Er hatte dem Polen schließlich auch nicht
das Marschziel der Kompanie angeben können. Was würde Oberleutnant
Schreiber nur von ihm denken!
Feldwebel Noth war es hundeelend zumute. Wäre nicht der
polnische Dorfschulze neben ihm gestanden, er hätte sich am
liebsten in eine Ecke verkrochen und geheult. So aber bedankte
er sich mit freundlicher Miene, verabschiedete sich und verließ
Leki Dolne in nördlicher Richtung, in der auch seine Kompanie
abmarschiert war.
Dresden. Auch hier hatte der Winter mit voller Härte seinen
Einzug gehalten. Ein eisiger Wind heulte durch die Straßen der
10/111Stadt, trieb den Schnee vor sich her und scheuchte die Menschen
in die Häuser. Dort war es trotz Heizmaterialmangels immer
noch angenehmer als draußen in der klirrenden Kälte.
Wer als Fremder trotz der Unbilden der Witterung noch einen
Blick für diese Stadt übrig hatte, der konnte nur staunen, wie unversehrt,
ja nahezu friedensmäßig Dresden sich ihm darbot.
Hatte er dazu die Zerstörungen der anderen großen Städte des
Reiches gesehen, wie z. B. Hamburg, Köln oder Berlin, dann
mußte ihm das „Elbflorenz“, wie die Dresdener ihre Stadt stolz
nannten, wie ein Paradies erscheinen.
„Unwahrscheinlich, was diese Stadt für einen Massel gehabt
hat. Wir haben doch nun schon das 6. Kriegsjahr, und auf Dresden
ist noch keine einzige Bombe gefallen. Da müßtest du mal
meine Heimatstadt Münster sehen, mein lieber Kokoschinski, da
war vielleicht was fällig – Dom und Uni im Eimer, ganze
Stadtviertel wegrasiert.“
Der Obergefreite Wichmann machte eine wilde Handbewegung,
die seine Beschreibung unterstreichen sollte, dabei hätte er
beinahe sein Glas mit einem undefinierbaren Heißgetränk vom
Tisch gewischt.
Der Gefreite Pietsch, der ihm im bekannten Café Hülferich an
der Prager Straße gegenübersaß, zuckte zusammen. Er hatte nur
mit halbem Ohr zugehört, weil er von zwei hübschen Mädchen
am Nebentisch abgelenkt worden war, die ihn freundlich anlächelten.
Etwas verwirrt griff er den Faden seines Kameraden
auf:
„Du hast schon recht, Gustav, es ist wirklich ein Wunder. Man
erzählt sich die tollsten Geschichten, warum der ‚Tommy‘3) Dresden
verschont hat. Wegen der Kunstschätze, meinen einige, aber
die wurden anderswo ja auch zerstört. Andere wissen, daß
Churchill4)
hier Verwandte haben soll. Es gibt auch welche, die
11/111meinen, die Alliierten brauchten nach dem Krieg eine heile Stadt,
um Deutschland von dort zu verwalten.“
„Na, das laß mal keinen hören“, grinste Wichmann, „vor allem
flirte nicht dauernd mit den Puppen nebenan, die sind doch ’ne
Nummer zu groß für dich. Außerdem wird es höchste Zeit, daß
wir uns zum Bahnhof trollen. Der angekündigte Sonderzug
müßte eigentlich schon bereitgestellt sein.“
Die beiden Soldaten zahlten, schulterten ihr Gepäck und verließen
das überfüllte Lokal. Pietsch drehte sich einige Male zu
den beiden Mädchen um, die aber das Interesse an ihm plötzlich
verloren hatten. Mißmutig folgte er seinem Kameraden durch die
Drehtür in die Kälte der Prager Straße. Beide zogen fröstelnd die
Schultern hoch.
„Mann, ist das ungemütlich“, schüttelte sich Pietsch, „daß der
verdammte „Iwan“ aber auch immer im Winter angreifen muß.
Im Winter sollte der Krieg überhaupt verboten werden.“
„Recht haste, Hans“, meinte Wichmann. „Vor drei Tagen ist es
schon am Baranowbrückenkopf losgegangen. Findest du nicht,
daß die Berichte von der Front verdammt spärlich sind? Aber das
wenige hört sich gar nicht gut an. Ich glaube nicht, daß wir unsere
Kompanie noch an alter Stelle an der Wisloka antreffen
werden.“
„Die Gegend habe ich gar nicht mehr kennengelernt“, stellte
Pietsch fest. „Ich bin jetzt schon über ein halbes Jahr von der
Kompanie weg, seit damals, weißt du noch, als es mich in der
Karpatenschlucht erwischt hat? Die Zeit im Lazarett war übrigens
ganz pfundig, was haben die Krankenschwestern sich für eine
Mühe mit mir gegeben! Aber dann im Ersatztruppenteil in Borna.
Nee, mein Lieber, ich kann dir nur sagen, ganz große Scheiße.
Zehnmal lieber bin ich bei der Kompanie. Weißt du, da fühle ich
mich wie zu Hause. Man kennt ja bald auch nichts anderes
mehr.“
12/111„Ja“, knurrte Wichmann, „mit dem Spieß5)
als Mutter und
dem Chef als Vater. Aber du hast irgendwie recht. Hoffentlich
finden wir die Zwote. Am meisten fürchte ich mich nämlich davor,
von irgendeiner Alarmeinheit kassiert zu werden. Die Offiziere
dort haben keine Ahnung, sind meist Etappenhengste, und
die Landser kennen sich untereinander nicht. Wenn du dort das
Pech hast, einen verplättet zu kriegen, kümmert sich kein Aas um
dich.“ Wichmann schaute recht sorgenvoll drein.
Mittlerweile hatten die beiden den Wiener Platz erreicht und
sahen den Eingang des Hauptbahnhofs vor sich.
„Ich werd’ verrückt“, schrie Wichmann plötzlich begeistert,
„Mensch, schau mal, wer da vor uns geht. Na, die beiden dort mit
dem langen Feldwebel! Unteroffizier Grimmer und unser Sani6)
Fritze Czoske.“
„Wo? Oh ja, jetzt sehe ich sie auch. Du, den Feldwebel kenne
ich vom Ersatztruppenteil in Borna. Er heißt Klaus Rusch und ist
ein pfundiger Kerl. Das wäre klasse, wenn der auch zu unserem
Haufen käme.“
Beide beschleunigten ihre Schritte und erreichten kurz vor
dem Bahnhofsportal die Genannten, die auf ihr Rufen
stehengeblieben waren. Eine lebhafte Begrüßung begann:
„Die halbe Zwote trifft sich in Dresden“, ulkte Unteroffizier
Grimmer, „ist denn da überhaupt noch jemand an der Front?“
„Daß du nur wieder da bist, Hans“, freute sich der Sanitätsgefreite
und schlug Pietsch freundschaftlich auf die Schulter, „ist
denn alles gut verheilt bei dir? Ich weiß noch ganz genau, wie du
ausgesehen hast, als man dich aus der abgeschossenen
‚Hornisse‘7)
herausgezogen hatte.“
Wichmann und Rusch machten sich bekannt, wobei der Feldwebel
bestätigte, daß er zur 2. Kompanie versetzt sei. Nachdem
sich die erste Woge der Wiedersehensfreude gelegt hatte,
13/111schulterten alle ihr Gepäck und betraten den großen, kombinierten
Durchgangs- und Kopfbahnhof von Dresden.
In der riesigen Vorhalle, in den Wartesälen und auf den Bahnsteigen
herrschte ein Betrieb wie in einem Ameisenhaufen. Das
Feldgrau überwog, dazwischen eilten Frauen vom Roten Kreuz
und von der NSV.8) An Ständen wurde heißer Kaffee ausgeschenkt.
Man sah aber auch Zivilisten mit reichlichem Gepäck, es waren
wohl erste Flüchtlinge aus dem Generalgouvernement (Polen),
die sich verzweifelt nach Anschlußzügen erkundigten. Alles wogte
und quirlte durcheinander, darüber lag ein Gebrodel von Gesprächen
und lauten Zurufen, immer wieder übertönt von Lautsprecherdurchsagen
und dem Rollen ein- und auslaufender Züge.
Eben brüllte es aus dem Lautsprecher: „Der FronturlauberSonderzug
nach Krakau, über Breslau, wird eben auf Bahnsteig 3
eingeschoben. Der Zug darf nur von Militärpersonen mit Marschbefehlen
benutzt werden. Angehörige der Gouvernementsverwaltung
brauchen eine Sondergenehmigung, Beeilung beim Einsteigen,
der Zug fährt in Kürze ab.“
„Verdammt, das ist doch genau auf der anderen Seite. Jetzt
heißt’s aber, die Beine in die Hand nehmen“, sagte Grimmer
ärgerlich.
Die fünf Männer hasteten mit ihrem Gepäck auf dem Kopfbahnsteig
entlang, was nicht ohne häufige Zusammenstöße abging,
die von Flüchen und Schimpfen begleitet wurden. Schließ-
lich erreichten sie das Gleis 3.
„Verfluchte Unzucht, hier hinten die letzten Wagen sind alles
uralte Personenzugwaggons. Die guten Schnellzugwagen sind
natürlich ganz vorn“, fluchte der Sanitätsgefreite und versuchte,
mit der schiebenden und drängenden Masse Schritt zu halten. In
einem der alten Personenwagen wurde ein Fenster heruntergerissen,
und ein Obergefreiter winkte den fünf Panzerjägern wie verrückt
zu:
14/111„Herrrrreinspaziert. Männer, hier geht’s zur Zwoten! Prima
Abteil, solides Holz. Genau fünf Plätze frei, eigener Lokus
vorhanden. Immer herrrrreinspaziert!“
„Wenn das nicht Peter Klein ist! Kommt, Jungs, kommt! Wo
der ist, ist’s gut. Der hat schon immer einen Riecher für vernünftige
Quartiere gehabt.“
Mit viel Hallo und Gelächter stürmten die fünf das Abteil,
warfen ihr Gepäck auf die Holzregale und ließen sich selbst auf
die Holzsitze fallen, um erst mal zu verschnaufen.
Das Abteil hatte eine Tür auf jeder Seite. Auf einer Bank konnten
fünf Mann sitzen, auf der gegenüberliegenden drei. Der Rest
des Abteils wurde durch eine Toilette eingenommen, die auch
vom Nachbarabteil zugänglich war.
Der Obergefreite Peter Klein machte bekannt:
„Die beiden Kameraden hier, die euch so neugierig anglotzen,
sind von den ‚Fußlatschern‘. Der Gefreite hier heißt Jupp und will
zur 304. ID., die übrigens gerade mitten in der Scheiße liegen
muß. Der Oberschnäpser9)
Paule hat’s besser. Er ist von der 75.
ID., seine Einheit ist in den Beskiden eingesetzt, da ist jetzt noch
tiefster Frieden.“
„Mein Regiment lag dem ‚Iwan‘ am Baranowbrückenkopf gegenüber,
direkt am Weichselbogen“, klagte der Gefreite von der
304. ID. „Eben habe ich den Wehrmachtsbericht gehört, danach
hat der Russe schon die Nida erreicht. Wißt ihr, was das
bedeutet? Die Nida lag viele Kilometer hinter unseren Trossen.
Nee, mein lieber Scholli, von meinen Kameraden ist bestimmt
kein Schwanz herausgekommen.“
„Nun mach dir mal nicht gleich ins Hemd!“ versuchte ihn Pietsch
in seiner schnoddrigen Art zu beruhigen. „Ihr habt doch
viele alte Hasen dabei, die wissen schon, wie man sich dünnemachen
kann.“
15/111In diesem Augenblick ruckte der Urlauberzug an und rollte
langsam aus der riesigen Bahnhofshalle heraus. – Genau einen
Monat später wurde sie im Inferno des entsetzlichen Bombenangriffs
auf Dresden fast völlig zerstört.
„Na, wenigstens mit der Bahn geht es noch vorwärts“, stellte
Rusch fest, „wäre es an den Fronten doch ebenso.“
Wichmann schaute versonnen auf das vorbeigleitende, verschneite
Dresden und sagte leise: „Wo werden wir unsere Kompanie
wohl wiederfinden, und werden wir noch alle antreffen?“
Seine fünf Kameraden von der 2./s. Pz. Jäg. Abtlg. 88 wurden
still und nickten sorgenvoll.
Wo war nun die 2. Panzerjägerkompanie, der Feldwebel Noth
verzweifelt nachjagte und die zu finden den sechs Soldaten im
Fronturlauberzug so große Sorgen bereitete?
Zur gleichen Stunde, als der Sonderzug die Dresdner Bahnhofshalle
in Richtung Krakau verließ, rollte, von Osten kommend,
ein Transportzug auf dem riesigen Güterbahnhof von Krakau ein.
Auf einer endlosen Reihe von Flachwagen hatte er Nachschubund
Gefechtsfahrzeuge geladen. Ein Personenzug- und zwei MWaggons
waren angehängt, in denen 160 Panzerjäger untergebracht
waren. An den fest verzurrten 14 „Hornissen“ zeigte das
aufgemalte Pik-As als Kompaniezeichen, daß es sich um die 2.
Kompanie der schweren Panzerjägerabteilung 88 handelte. Was
war der Grund, warum die Kompanie nach Westen rollte?
Als die russische Offensive am Baranowbrückenkopf gleich am
ersten Tag die deutsche Front zertrümmert hatte, war jeder Kontakt
zum führenden Kommando der 1. Panzerarmee verlorengegangen.
Hierauf war dieser Frontteil der südlich der
Weichsel liegenden 17. Armee unterstellt worden. General
Schulz10)
ließ sofort die 359. ID. aus der eigenen Front an der
Wiskloka herauslösen und warf sie mit dem Ziel über die
16/111Weichsel, die A-1-Stellung als erste Auffangstellung zu besetzen.
Die Panzerjägerabteilung 88 fuhr im Eilmarsch an das Südufer
der Weichsel, um evtl. übersetzenden Feind aufzufangen.
Als die 359. ID. keinen Erfolg hatte, entschloß sich das 17.
AOK11)
, die aus den Beskiden herbeigeeilte 75. ID. nördlich von
Krakau in die Gegend von Miechow zu verlegen, um vielleicht in
der A-2-Stellung eine Auffanglinie zu bilden. Gleichzeitig wurden
die wenigen gepanzerten Einheiten, die das 17. AOK besaß, nach
Westen verschoben, um den Russen, spätestens an der B-1-Stellung
vor dem Oberschlesischen Industriegebiet zu stoppen.
Deshalb war die Pz. Jäg. Abtlg. 88 mit ihren mehr als 40 gepanzerten
Selbstfahrlafetten am Morgen des 15. Januar in mehreren
Transporten in Zabno verladen und nach Westen mit Ziel
Warthenau (Zawiercie) in Marsch gesetzt worden.
Der kurze Halt am Spätnachmittag auf dem Krakauer Güterbahnhof
wurde für die Kompanie genutzt, Essen zu fassen, das
der Küchenbulle in seiner Gulaschkanone während der Fahrt
gekocht hatte. Als die Männer in langer Reihe vor den Plattformwagen
anstanden, auf dem die Küche ihre Fahrzeuge verzurrt
hatte, lief plötzlich ein lautes Hallo durch die Essenholerschlange.
Ein Feldwebel mit weithin leuchtendem weißem Kopfverband
kam über einen Kohlenzug geklettert, sprang über das Gleisgewirr
und lief nun auf den Transportzug zu.
„Da legst di nieder, nu schau, wer da kommt!“
„Ist das nun Feldwebel Noth, oder ist es sein Geist? Einen Heiligenschein
hat er ja auf dem Kopf“, sagte einer.
Der Kompaniemelder, Obergefreiter Pfeil, regte sich mächtig
auf:
„’ne ganze Nacht habe ich mir wegen dieses Schlawiners um
die Ohren geschlagen, aber der Herr Feldwebel geruhte nicht zu
kommen. Und jetzt kann es ihm nicht schnell genug gehen.“
17/111„Ist’s denn ein Wunder?“ gab der Funktruppführer, Unteroffizier
Beer, zu bedenken. „Beim Abmarsch in Leki Dolne hätte er
doch arbeiten müssen, jetzt aber gibt’s was zu fressen!“
Als Noth den Transportzug erreicht hatte, vergaßen die Landser
für eine Weile ihre gutmütigen Flachsereien und begrüßten
den Ankömmling stürmisch. Jeder wollte ihm die Hand schütteln
oder ihm wenigstens auf die Schulter klopfen. Immer wieder
wurde er gedrängt, zu erzählen.
„Gleich, gleich“, wehrte Noth jedoch ab, „erst muß ich mich
beim Chef zurückmelden.“
Oberleutnant Schreiber empfing ihn zunächst etwas frostig.
Als der Kompanietruppführer ihm verlegen seine Erlebnisse vorgetragen
hatte, konnte er sich jedoch ein Grinsen nicht
verkneifen. Er wurde dann zwar betont streng mit den Worten
verabschiedet:
„Hoffentlich ist Ihnen das für die Zukunft eine Lehre, Noth!“
Der Feldwebel merkte aber, daß sein Chef sich im stillen
amüsierte und für ihn die Angelegenheit erledigt war.
In Windeseile hatten sich Noths Erlebnisse in der ganzen
Kompanie herumgesprochen, und in den nächsten Tagen wurde
so mancher Scherz auf seine Kosten gerissen. Seinen Spitznamen
„Der blaue Reiter“ hatte er weg.
Am Morgen des nächsten Tages lief der Transportzug in
Warthenau (Zawiercie) ein. Die Entladung ging sehr schleppend
vor sich. Nicht nur den Männern machte die eisige Kälte zu
schaffen, auch einige Panzermotoren waren eingefroren und nur
mit viel Mühe und mit Hilfe von Lötlampen zum Laufen zu bringen.
So wurde es Mittag, bis die Kompanie abmarschbereit war.
In Warthenau war von einem Generalleutnant Sieler im Vorraum
einer Kneipe ein Meldekopf „Florian“ eingerichtet worden.
Hier meldete Oberleutnant Schreiber die Ankunft seiner
18/111Kompanie und erhielt auch sofort einen Auftrag. Viel schwieriger
war es aber, eine Karte zu bekommen.
Die B-1-Stellung, die einige Kilometer östlich von Warthenau
verlief, war bisher lediglich von Einheiten des Volkssturms12)
besetzt.
Geplant war, den Volkssturm nach und nach durch reguläre
Truppen abzulösen. Die 2. Kompanie wurde nun als erste Verstärkung
in den Stellungsbereich Podlesice, nordostwärts von
Warthenau, befohlen. Hier waren angeblich feindliche Vorausabteilungen
gesichtet worden. Hauptmann Berger hatte sich mit
seiner 3. Kompanie geschickt vor dem Einsatz gedrückt, indem er
vorgab, kein Benzin zu haben.
Schreiber setzte kein großes Vertrauen in die Verteidigungspläne
des Generals, denn er hatte erfahren, daß weiter nördlich
bei Tschenstochau der Russe die B-1-Stellung schon längst hinter
sich gelassen hatte.
Trotzdem rollte am frühen Nachmittag die 2. Kompanie aus
Warthenau hinaus. Die Straßen waren völlig vereist, die Gegend
hügelig. Das machte besonders den älteren „Hornissen“ mit ihren
35 cm schmalen Ketten zu schaffen, und sie blieben an den
Steigungen hängen. Es mußten Stollen montiert werden. All dies
kostete viel Zeit.
Zur Erkundung schickte der Kompaniechef seinen Kompanietruppführer
im VW voraus. Das Ergebnis war niederschmetternd.
Die Brücken über den Panzergraben hinter der B-1-Stellung
hatte man schon gesprengt. Augenblicke der Ratlosigkeit.
Feldwebel Noth hatte jedoch einen Bauern aus der Umgebung
aufgegabelt, einen umgesiedelten Balten.
„Herr Oberleutnant, dieser Volkssturmmann kennt einen
gangbaren Weg durch die Sümpfe.“
Schreiber sah zweifelnd drein und fragte den Ortskundigen:
„Sind Sie sicher, daß unsere Panzer dort nicht versaufen?“
19/111Der Balte wiegte bedächtig den Kopf: „Mit Panzern habe ich
keine Erfahrung, Herr Offizier, aber mit einem schweren Traktor
bin ich da schon durchgekommen.“
„In Ordnung, versuchen wir es zunächst mit unserem VW, wo
die es schaffen, können wir erfahrungsgemäß auch mit Panzern
durchfahren.“
Der Oberleutnant und Noth setzten sich mit dem Volkssturmmann
in den ersten VW, Leutnant Glade folgte im nächsten.
Tatsächlich kamen sie heil durch die Sümpfe und erreichten so
die B-1-Stellung. Glade wurde sofort zurückgeschickt, um die
Kompanie nachzuführen.
Die Stellung war tief verschneit. Die meist älteren Männer des
Volkssturms hatten keine Winterausrüstung und nur wenig
Munition. Was sollten diese armen Kerle gegen einen mit Panzern,
Artillerie und Maschinenwaffen hervorragend ausger-
üsteten Feind ausrichten? Die meisten der wenig kriegerisch
wirkenden Vaterlandsverteidiger hielten sich bei einer Hütte kurz
hinter der Stellung auf.
Dort trafen die Panzerjäger den Kommandeur dieses Haufens,
einen NSKK13)
-Führer. Es zeigte sich bald, daß dieser von der
Aufgabe völlig überfordert war. Deshalb war er hocherfreut, daß
Hilfe anrückte und er die Verantwortung loswurde. Abwechselnd
umarmte er Schreiber und Feldwebel Noth, schenkte ihnen gleich
eine große Packung Zigaretten und drückte ihnen Landbrot und
hausgemachte Wurst in die Hand. Als auch noch ein VB14)
von
der schweren Artillerie aufkreuzte, kannte die Begeisterung der
Volkssturmmänner keine Grenzen mehr.
Schlagartig wurden sie dann aber aus ihrem Taumel gerissen,
als plötzlich jemand in die Stube stürmte, um zu verkünden, daß
sich feindliche Panzer Podlesice näherten.
20/111Die beiden Panzerjäger liefen nach draußen und erkannten
tatsächlich in ca. drei Kilometer Entfernung drei russische Spähwagen,
die sich vorsichtig heranpirschten.
Obwohl die Volkssturmmänner in Deckung gegangen waren,
hatte der Gegner anscheinend Verdacht geschöpft. Die Panzerspähwagen
hielten an, und dann blitzte es auf. Kurz darauf fetzten
Granaten in die Hütte, die als Kommandozentrale gedient
hatte.
„Verdammt!“ schimpfe Noth, der zusammen mit Oberleutnant
Schreiber in einer Schneeverwehung Dekkung gesucht hatte, „die
machen uns hier zur Minna. Hoffentlich kommen bald unsere
‚Hornissen‘.“
Und wieder schlugen Granaten im Haus und in einer danebenstehenden
Buche ein. Dann glaubten die Spähwagenfahrer wohl,
genug Schrecken verbreitet zu haben und kamen nun in flotter
Fahrt angerauscht. Die ersten Volkssturmmänner sprangen auf,
um abzuhauen.
„Bleibt doch in Deckung, ihr Dussels!“ brüllte Schreiber, „ihr
lauft denen doch direkt vor die Flinte, und dann schießen sie
euch wie die Hasen ab.“
„Unsere sind da!“ jubelte Feldwebel Noth. Von hinten waren
die charakteristischen Abschüsse der 8,8-cm-Pak zu hören. Es
peitschte über sie hinweg und schlug fast gleichzeitig beim Feind
ein. Sechsmal schossen die „Hornissen“, dann standen zwei der
feindlichen Spähwagen in Flammen, der dritte konnte
entkommen.
„Das ist Pech, daß der entwischt ist; der bringt jetzt die Nachricht
von dem starken Pak-Riegel nach hinten“, meinte
Schreiber bedauernd.
In der Hütte war allerlei zu Bruch gegangen. Der NSKK-Führer
war noch kreidebleich, erholte sich aber schnell nach einem
Schluck aus der Schnapsflasche. Oberleutnant Schreiber nahm
21/111auch einen, nur Noth wandte sich angewidert ab. Er mußte bei
Schnaps immer an die Geburtstagsfeier denken.
Mittlerweile waren die „Hornissen“, die von den Volkssturmmännern
mächtig bestaunt wurden, näher gekommen und
warteten in langer Reihe auf weitere Befehle. Hierzu kam es aber
nicht mehr. Ein Melder vom Meldekopf „Florian“ erschien und
übergab Schreiber einen Befehl.
Es war ein schwerer Schlag für den Volkssturm, als man erfuhr,
daß die Panzerjägerkompanie abgezogen würde. Sie hatte
sich doch so gut eingeführt.
In finsterer Nacht und bei großer Kälte marschierte die Kompanie
nach Süden. Das Ziel war Ilkenau (Olkisch).
„Der Russe scheint nicht mehr weit zu sein“, stellte Feldwebel
Rusch am Mittag des gleichen Tages beklommen fest, als er mit
seinen Kameraden auf den Bahnhofsvorplatz von Krakau hinausgetreten
war.
Es war allzu offensichtlich, daß die Stadt von einer Panik
geschüttelt wurde. Bahnhof und Vorplatz waren von vielen
Tausenden von Menschen bevölkert, die sich schoben und
drängten: Soldaten, Wehrmachthelferinnen, Parteifunktionäre
und vor allem Zivilisten, die mit reichlichem, zum Teil sperrigem
Gepäck beladen, einen Zug nach Westen erreichen wollten.
Als ihr Sonderzug in die Bahnhofshalle eingefahren war, hatten
ihn die verzweifelten Menschen sofort gestürmt. Nur mit
äußerster Rücksichtslosigkeit war es den Ankommenden gelungen,
aus dem Abteil herauszukommen.
Nun standen die acht Reisegefährten auf dem Vorplatz und
verfolgten mit gemischten Gefühlen das Chaos, das sich ihnen
darbot.
22/111„Schaut euch nur das hämische Grinsen der Polen an, am liebsten
würden sie Beifall klatschen.“
„Verstehen kann man sie ja. Ihr würdet auch jubeln, wenn der
Feind aus unserem Land türmen müßte.“
„Ja, und dazu noch unter so entwürdigenden Umständen!“
fügte Wichmann bitter hinzu. „Ob die noch grinsen, wenn der
Russe sie ‚befreit‘ hat? Ach, ich will das gar nicht mehr sehen, gehen
wir doch zur Frontleitstelle, da drüben scheint sie zu sein.“
Auch dort herrschte hektischer Betrieb. Mit Schauern stellten
die Männer fest, daß viele Soldaten in Alarmeinheiten zusammengestellt
wurden. Landser, deren Einheiten verschollen waren,
Genesene aus den Krakauer Lazaretten und auch Drückeberger,
die sich per Bahn oder Lkw hatten „absetzen“ wollen und von den
„Kettenhunden“15)
geschnappt worden waren.
Nun kamen sie an die Reihe. Ein älterer, väterlicher Feldwebel
prüfte ihre Papiere.
„Du bist von der 304. ID, mein Sohn. Deine Einheit scheint am
Baranowbrückenkopf beim ‚Iwan‘ gelandet zu sein. Bis jetzt hat
sich noch keiner deiner Kameraden gemeldet – was machen wir
nur mit dir?“
„Bei mir ist das einfacher, Herr Feldwebel“, drängte sich der
Obergefreite Paul Pfaff vor. „Meine Division liegt in den
Beskiden, dort ist noch tiefster Frieden.“
„Da irrst du dich aber mächtig, mein Guter“, korrigierte ihn
der Feldwebel, „du bist doch von der 75. ID, wie ich sehe. Die ist
erst kürzlich durch Krakau gekommen und wurde nördlich von
hier bei Miechow eingesetzt. Du hast aber trotzdem Glück. Mit
dir sind es nun schon über 50 Mann von der 75. In zwei Stunden
fahren extra für euch zwei Lkw hier vom Hof nach Miechow ab.“
Er überlegte einige Augenblicke und sagte dann zu dem Gefreiten
von der 304. ID:
23/111„Weißt du was, Josef, oder wie du heißt. Ihr seid ja wohl Freunde,
nicht wahr? Fahr du mal ruhig mit, vielleicht kommen
doch noch einige Männer deiner Einheit zurück. Die müßtest du
dann eigentlich bei Miechow treffen.“
Er wandte sich den Panzerjägern zu:
„Ihr seid alle von der gleichen Einheit: Panzerjäger 88.
Darüber lag doch eine Meldung vor. Wo ist sie denn gleich?“
Nach einigem Suchen rief er einem Unteroffizier zu, der am
Nebentisch arbeitete:
„He, Otto, was ist mit den Panzerjägern 88?“
„Die sind doch gestern durch Krakau gekommen, mehr weiß
ich auch nicht.“
„Na, dann sind die bestimmt auch nach Miechow gefahren“,
rief der Feldwebel fröhlich und stellte einen Marschbefehl für die
gleichen Lastwagen aus.
Durch diesen Irrtum blieben die Abteilkameraden glücklich
zusammen und fanden sich am Nachmittag mit Karabinern und
Panzerfäusten16)
bewaffnet auf einem Lkw wieder, der mit zwei
weiteren Krakau nach Norden verließ, um zur A-2-Stellung in die
Gegend von Miechow zu fahren.
Stunden waren vergangen, längst war die Nacht
hereingebrochen. Die barbarische Kälte machte ihnen auf den
nur mit Planen abgedeckten Lastwagen mächtig zu schaffen. Deshalb
sahen sie es geradezu als eine Erlösung an, wenn die Lkw in
der hügeligen Landschaft hin und wieder an Steigungen hängen
blieben. Dann sprangen alle ohne Aufforderung heraus, um zu
schieben.
„Wir müßten doch längst an der A-2-Stellung sein“, meinte
Unteroffizier Grimmer, „findet Ihr es nicht auch seltsam, daß wir
24/111in der letzten Stunde keine Menschenseele mehr zu Gesicht
bekommen haben?“
In diesem Augenblick hielten die Wagen wieder an. Die Landser
sprangen herab, weil sie glaubten, wieder schieben zu
müssen. Die Lkw-Fahrer wiesen jedoch nach vorn auf die Silhouette
eines Dorfes.
„Dort hat es gebrannt, das kann doch nur der ‚Iwan‘ gewesen
sein“, sagte der Fahrer des 1. Wagens besorgt zu Feldwebel
Rusch.
„Scheint so“, nickte dieser und musterte einige schwach
brennende Häuserruinen, „fahr ein bißchen näher heran. Wir
werden dann zu Fuß sondieren.“
Kurz vor dem Ort ließ Rusch halten. Die acht Abteilgenossen
fanden sich wie selbstverständlich zu einem Spähtrupp zusammen
und näherten sich vorsichtig dem Dorf.
Das erste Haus lag dunkel da. Sie öffneten die Haustür, die
Kammertür – nichts, also weiter. Die Balken des nächsten
Hauses lohten noch und strahlten eine enorme Hitze aus. Wieder
ein unversehrtes Haus, es war ebenfalls leer, jedoch waren überall
deutliche Spuren von Plünderung zu erkennen.
„Die Polen haben sich ihre Befreiung bestimmt anders vorgestellt.
Anscheinend sind sie vor ihren russischen Freunden
stiftengegangen“, stellte der Gefreite Pietsch fest.
25/111Die Lkw wurden herbeigewinkt, Posten ausgestellt, und man
besprach, was zu tun sei.
„Ich kann mir nicht vorstellen, daß die 75. ID. noch vor uns ist,
sie hat sich wahrscheinlich längst abgesetzt“, meinte ein junger
Leutnant, der einzige Offizier unter den 60 Männern, „mit Sicherheit
haben wir den Russen schon im Rücken. Die russische
Front ist jetzt noch lückenhaft, und durch so eine Lücke sind wir
ahnungslosen Engel durchgefahren. Uns bleibt gar nichts anderes
übrig, als nach Westen durchzubrechen, um Anschluß an
die Unsrigen zu finden.“
Mit dieser Feststellung fand er keinen Widerspruch. „Vielleicht
haben wir Glück und finden wieder so eine Lücke“, sagte einer
hoffnungsfroh.
Nach einstündiger Pause, die zum Essen genutzt wurde,
machte sich der Konvoi auf den Weg nach Westen, diesmal aber
mit aller gebotenen Vorsicht.
Im nächsten Dorf trafen sie endlich wieder auf Menschen, es
waren verschüchterte Polen. Sie kamen erst aus ihren Verstecken
gekrochen, als sie sicher waren, daß es sich um deutsche Soldaten
handelte.
Jawohl, eine russische Vorauseinheit sei vor vielen Stunden
hier durchgekommen und habe sich bei der Bevölkerung nicht
nur Verpflegung besorgt. Ein Pole aus dem Nachbarort, in dem
die Deutschen noch vor einer Stunde gewesen waren, berichtete,
daß die Russen dort alle Häuser angesteckt hätten, von deren
Einwohnern sie nichts bekommen hätten. Als der Pole erfuhr,
daß keine Russen mehr in seinem Heimatdorf seien, rief er einige
Männer, Frauen und Kinder herbei, und sie zogen in ihr Dorf
zurück.
Die drei Lkw fuhren weiter. Feldwebel Noth stellte auf seiner
Karte fest: „Wir müßten jetzt in Warthenau sein. Wie wird es
wohl den Deutschen ergehen, wenn der ‚Iwan‘ schon so wenig
Rücksicht auf die Polen genommen hat?“Wieder tauchte vor ihnen ein brennendes Dorf auf.
„Da laufen doch Menschen herum, seht ihr das auch?“ rief
Czoske, der Sanitätsgefreite, „sind das nun Deutsche oder
Russen?“
Die Lkw hatten angehalten, man besprach sich. Diesmal ging
der Leutnant mit einem Spähtrupp voraus. Vorsichtig näherten
sich die Männer dem Dorf und verschwanden zwischen den
Häusern. Nach einiger Zeit wurden die Wagen nachgewinkt. Der
Leutnant stand am dritten Bauerngehöft, das noch unversehrt
war.
„Seltsam, ich meine ganz bestimmt, eben noch Menschen
gesehen zu haben, aber nirgendwo ist einer.“
„Schauen Sie mal hier, Herr Leutnant“, rief ein Infanterist, der
hinter das Haus gegangen war, „hier liegen tote Zivilisten.“
Die Gruppe der Panzerjäger folgte dem Leutnant hinter das
Haus und sah nun ebenfalls zwei tote Männer, offensichtlich
Bauern, am Boden liegen, einer von ihnen war schon sehr alt
gewesen.
„So also sieht das Los der deutschen Bevölkerung aus.“
Schaudernd wandte sich der Leutnant ab. „Nemmersdorf17) war
also kein Einzelfall.“
Plötzlich stand eine alte Frau neben ihnen. „Es ist der Ortsbauernführer
und sein Vater.“ Ihre Stimme klang ganz teilnahmslos.
„Meinen Mann haben sie auch erschlagen. Er wollte
unserer Tochter helfen, als sie vergewaltigt wurde, jetzt sind
beide tot.“
Die Landser standen erschüttert um diese Frau herum, die offensichtlich
unter einem gewaltigen Schock litt. In ihr schien jegliches
Leben abgestorben zu sein, zu Schreckliches hatte sie mit
ansehen müssen. Doch selbst in diesem Augenblick unsagbaren
persönlichen Leides lebte ihre Mütterlichkeit, und sie dachte an
die anderen.
28/111„Die Männer sind alle tot, einen haben sie als Wegführer mitgenommen.
Aber im Keller hinter der Scheune haben sich mehrere
Frauen und Mädchen versteckt, nehmt sie mit, rettet sie!“
Zwei Infanteristen, die mit einer größeren Gruppe das Dorf
durchkämmt hatten, kamen herbeigerannt.
„Herr Leutnant, Herr Leutnant, von Westen nähern sich Panzer
dem Dorf!“ riefen sie schon von weitem.
Der junge Leutnant schien im Augenblick von den Ereignissen
überfordert zu sein. Eine solche Situation war auf der Offiziersschule
mit Sicherheit nicht behandelt worden. Während er
noch zögerte, hörte man auf einmal deutlich das Aufheulen von
schweren Motoren und dann Abschuß und Einschlag einer
Panzergranate.
Feldwebel Rusch faßte sich zuerst und rief der Gruppe der
Panzerjäger zu:
„Rasch zu den Lkw, wir brauchen Panzerfäuste!“
Sie rannten zu den Lastwagen, die am ersten Haus des Ortes
stehengeblieben waren. Sie liefen, was das Zeug hielt, liefen um
ihr Leben. Das Heulen der Motoren und das Krachen der Abschüsse
kamen schnell näher. Rusch, Klein und Grimmer packten
jeder eine Panzerfaust und hasteten auf der Dorfstraße wieder
zurück, den Panzern entgegen.
Fliehende Infanteristen kamen in Panik zurückgelaufen.
Andere versuchten hinter den Häusern Deckung zu finden. Ganz
nahe erklangen jetzt die Abschüsse. Auch mit MG schienen die
Panzer zu schießen, denn immer wieder hörte man das Stakkato
der Maschinenwaffen. Sie mußten schon im Ort sein. Und wirklich,
da tauchte der erste neben einem brennenden Haus auf!
„Ein Spähwagen – nein, zwei Spähwagen sind es!“ schrie
Grimmer. „Los, Klaus, Peter, ihr beide links rüber, ich gehe hier
rechts hinter das Haus.“
29/111Rusch nickte nur und rannte nach links hinter eine Scheune.
Nur noch etwa 50 Meter waren die Spähwagen entfernt.
„Bist du verrückt, Peter, komm doch in Deckung!“ schrie der
Feldwebel.
Doch der Obergefreite Klein hörte und sah nichts. Warum vergaß
er nur jede Vorsicht?
Er stellte sich mitten auf die Dorfstraße, hob die Panzerfaust
und visierte den linken Panzerspähwagen an. Ein Feuerstrahl
schoß aus dem Rohr der Panzerfaust nach hinten. Im gleichen
Augenblick ratterte das feindliche MG los. Die Garbe riß den
Obergefreiten von den Beinen. Die Granate, die er abgeschossen
hatte, fand jedoch ihr Ziel. Der Panzerspähwagen blieb ruckartig
stehen, gleichzeitig schoß Rusch seine Panzerfaust ab. Der Feindpanzer
brannte lichterloh.
Unteroffizier Grimmer hatte auf den anderen Spähwagen gezielt,
geschossen und den Bug getroffen. Führerlos raste der Spähwagen
plötzlich los, machte eine Rechtskurve und schmetterte
gegen die Scheune, hinter der Rusch Deckung gesucht hatte.
Holzbalken brachen, Ziegelsteine flogen durch die Luft, die Scheune
krachte und schwankte aus allen Fugen. Halb im hölzernen
Heubehälter steckend, blieb der Feindpanzer stehen.
Rusch lief zur Straßenmitte und kniete neben Peter Klein
nieder. Auch die anderen Panzerjäger kamen herbeigelaufen. Sie
erkannten sofort, daß ihr Kamerad tot war.
„Nun hat er seine Kompanie nicht mehr erreicht“, flüsterte
Grimmer, „und ich weiß doch, wie sehr er an ihr gehangen hat.“
Sie alle, wie sie um ihren toten Kameraden herumstanden,
hatten sich nicht mehr um die abgeschossenen Spähwagen
gekümmert. Aus dem Wagen, der gegen die Scheune geprallt war,
hatten zwei Rotarmisten zu fliehen versucht, waren aber von der
Infanterie unter Feuer genommen worden.
30/111Zwei Stunden später verließen die drei Lastwagen diesen Ort
des Schrekkens. Peter Klein und sechs Infanteristen, die von den
Panzergranaten und MG-Garben getötet worden waren, hatte
man in einem gemeinsamen Grab beigesetzt. Mehrere Männer
waren verwundet worden. Man hatte sie, so gut es ging, auf die
Lkw gebettet. Außerdem hatten sich ihnen zwölf Frauen und
Mädchen angeschlossen. Die alte Frau, die für sie gebetet hatte,
blieb jedoch zurück. Sie war nicht davon abzubringen gewesen,
bei ihren beiden Toten zurückbleiben zu wollen. Man hatte
schließlich ihren Entschluß respektiert.
„Es beginnt zu dämmern“, stellte Feldwebel Rusch nach etwa
halbstündiger Fahrt fest, „dort hinten, der dunkle Saum, das
kann nur ein Waldrand sein. Sicherlich ist es der große Forst, der
sich bis Podlesice hinzieht. Und dort verläuft nach meiner Karte
irgendwo die B-1-Stellung; hoffentlich ist sie von den Unsrigen
besetzt.“
„Es wäre doch das vernünftigste, durch den Wald zu fahren
oder zu gehen, jetzt, wo es hell wird“, meinte Unteroffizier
Grimmer.
Der Wagen an der Spitze hatte angehalten. Der Leutnant
sprang ab und kam zu dem Lkw zurück, auf dem Rusch mit den
Panzerjägern hockte.
„Sucha Gorka liegt vor uns. Von dort führt ein Weg durch den
Wald nach Podlesice. Wenn wir erst mal im Wald sind, kann uns
nicht mehr viel passieren.“
„Ja, wenn!“ zeigte sich Rusch besorgt. „Ich halte es für besser,
den Ort zu umgehen und uns dann im Wald zu verpieseln.“
„Besser schlecht gefahren, als gut gelaufen“, erwiderte der Offizier,
„außerdem haben wir die Verwundeten und die Frauen
mit.“
Rusch hätte einiges dazu sagen können. Er war aber genauso
hundemüde wie die anderen und nickte deshalb nur. Der
31/111Leutnant kletterte wieder auf seinen Wagen und brauste mit
großer Geschwindigkeit auf den Ort zu, der immer deutlicher zu
erkennen war. Die beiden anderen Lkw folgten.
800 … 600 … 400 Meter …
Da blitzte es zwischen den Häusern auf. „Schon wieder diese
gottverdammten Panzer!“ schrie der Sanitätsgefreite entsetzt.
„Runter vom Wagen!“ brüllte Rusch, flankte über die rückwärtige
Klappe, löste die Halterungen, so daß die Klappe hinunterfiel
und sprang dann in den Straßengraben. Im dichten Knäuel
rutschten die Frauen und die Soldaten vom Laster herunter und
folgten ihm in den Graben. Keinen Augenblick zu früh, denn
schon schlug es auch in ihren Wagen ein.
Der Spitzen-Lkw war zuerst getroffen worden und stand in
hellen Flammen. Auf ihm mußte es viele Tote gegeben haben.
Man sah, daß einige Infanteristen lichterloh brannten und sich
schreiend auf dem Boden wälzten. Und immer wieder fetzten
Granaten in die Wagen und die fliehenden Soldaten.
„Dort rechts fließt ein Bach, Klaus, wenn wir den erreichten,
hätten wir Deckung“, rief Unteroffizier Grimmer herüber.
„Richtig, Karl, das könnte uns retten. Die Chancen stehen 50
zu 50. Wichmann, Czoske, Pietsch – kümmert euch um die
Frauen!“
Rusch faßte eines der Mädchen an der Hand und lief mit ihr
auf das Bachbett zu. Mehrmals warf er sich hin, das Mädchen tat
es ihm nach. Dann hatten sie es geschafft und lagen am tiefverschneiten
Steilufer des Baches. Immer mehr Frauen und Soldaten
aus ihrem Lkw fanden sich ein, auch die Besatzung des dritten
Wagens war ihrem Beispiel gefolgt. Sie hatten sogar ihre verwundeten
Kameraden mitgeschleppt. Vom ersten Lkw hatten es
jedoch nur zwei Mann und eine Frau geschafft.
„Die anderen hat’s allesamt erwischt, auch den Leutnant“, war
ihr knapper Bericht an Feldwebel Rusch, den nun alle als Führer
32/111ansahen. Der warf einen abschätzenden Blick auf die um ihn Versammelten
und stellte fest, daß es etwa 35 Männer und neun
Frauen waren.
„Wie ich sehe, haben die meisten keine Waffen mehr. Kämpfen
können wir also nicht, nur noch ausreißen. – Dieser Bach zieht
sich im Bogen um den Ort. Wir werden versuchen, in seinem
Schutz den Waldrand zu erreichen. Das Weitere wird sich finden,
also los!“
„Ich bin völlig fertig“, klagte einer der Verwundeten.
„Erschöpft sind wir alle“, sagte Rusch hart, „jede Minute
Verzögerung verschlechtert aber unsere Chancen. Im Wald
können wir uns ausruhen – vielleicht“, fügte er leise hinzu.
Der Marsch durch das Bachbett begann. Oft waren die
Böschungen so steil, daß sie durch das eisige Wasser des Baches
waten mußten. Die Ränder waren vereist, und man konnte sich
leicht verletzen. Es war eine Tortur, vor allem für die Frauen, die
nur zum Teil Stiefel trugen. Doch von der Angst getrieben, kamen
sie rasch voran. Die Schlange zog sich allerdings immer weiter
auseinander.
Nun hatten sie Sucha Gorka schon fast umrundet und näherten
sich dem Waldrand. Rusch hatte einige Male über die
Böschung gespäht und beobachtet, wie sich ein russischer Panzer
vorsichtig den brennenden Lkw näherte. Ihm folgten russische
Infanteristen in ihren erdbraunen Uniformen. Als die Russen bei
den Lkw angekommen waren, hörte man einzelne Schüsse,
welche die Fliehenden zusammenzucken ließ und sie wieder zu
größerer Eile antrieb.
Beim Gegner erschollen Rufe, Panzermotoren heulten auf, und
ein Panzergeschoß knallte über sie hinweg. Ein erneuter Blick
über die Böschung bestätigte Rusch in seiner Ahnung.
„Jetzt gilt’s. Die Russen haben unsere Absicht erkannt und
versuchen, uns den Weg abzuschneiden. Tempo, Tempo!“
33/111Frauen und Männer keuchten an dem Feldwebel vorbei. Grimmer
zog ein zartes Mädchen hinter sich her. In einigem Abstand
folgte der Verwundete. Er warf sich hin und wäre ins Wasser gefallen,
wenn Rusch ihn nicht hochgerissen hätte.
„Ich kann nicht mehr!“ Die Tränen liefen ihm übers Gesicht.
„Jetzt nur nicht schlappmachen. Was die Frauen können,
kannst du auch“, versuchte Rusch seinen Ehrgeiz anzustacheln,
als er ihn hinter sich herschleppte. Der blutjunge Soldat riß sich
noch mal zusammen und trottete allein weiter, während der Feldwebel
oben von der Böschung nach dem Feind Ausschau hielt.
Zwei Panzer rumpelten quer über die verschneiten Felder. Den
Stahlkästen folgten in breiter Schützenkette russische Infanterie
in Kompaniestärke. Das Ziel der Sowjets wie der Deutschen war
jene Stelle, wo der Bach, etwa 200 Meter vom Waldrand entfernt,
eine Biegung machte, um dann fast parallel zum Wald
weiterzufließen.
Die ersten deutschen Landser hatten mittlerweile die Stelle des
Bachbettes erreicht, die dem Wald am nächsten war. Rusch ließ
den Blick von den angreifenden Russen hinüber zum Waldrand
schweifen und wieder zurück.
In diesem Augenblick wurde ihm klar, daß ihre Chance nicht
einmal 1:1000 war. Fast 200 Meter mußten sie alle vor den Panzern
und den russischen MPi18)
über das freie Feld bis zu den ersten
Bäumen laufen. Es wäre die reine Hasenjagd, und die
meisten würden dran glauben müssen. Die wenigen, die es wirklich
schaffen sollten, würde der Russe sich im Wald schnappen;
er wußte da genau, wo er suchen mußte.
Die Männer dort vorn hatten diese Bedenken anscheinend
noch nicht, oder ihre Angst war stärker. Sie sahen den rettenden
Wald vor sich, sprangen über die Böschung und rannten,
rannten.
34/111Ein mörderisches Feuer setzte ein. Panzer- und Pakgranaten
peitschten die Luft, MG und MPi ratterten. Am Waldrand splitterten
Bäume, einige der dahinjagenden Landser stürzten zu
Boden und dann – brannte einer der russischen Panzer.
Rusch traute seinen Augen nicht. Er kniff sich schmerzhaft in
den Arm, doch der Kampfwagen brannte tatsächlich, und die
russische Infanterie war in Deckung gegangen. Wieder hämmerte
der Abschuß einer Pak, und der zweite Panzer blieb liegen.
„Komm, Mann, das ist die Rettung, im Wald sind eigene Truppen!“
schrie Rusch den erschöpften Landser an, der nun doch ins
kalte Wasser gefallen war.
Er riß ihn hoch, zerrte ihn über die Uferböschung und trottete
mit ihm dem Waldrand entgegen. Vor sich sah er Unteroffizier
Grimmer, der dem Wald zustrebte, er trug das Mädchen auf den
Armen.
Rusch merkte gar nicht mehr, daß er vom Russen unter
Beschuß genommen wurde. Als er die ersten Bäume hinter sich
hatte, ließ er den jungen Infanteristen los, der bewußtlos zu
Boden fiel. Gleich neben ihm lag röchelnd Unteroffizier Grimmer,
seinen Kopf hatte das Mädchen in ihrem Schoß gebettet.
Immer noch keuchend blickte sich der Feldwebel um. Da vorn
stand die 7,5-cm-Pak19)
, die eben wieder eine Granate gegen die
Russen abschoß, und dort hinter den Bäumen kauerten die
deutschen Grenadiere, Angehörige eines Jägerbataillons der 75.
ID, die den Russen jetzt durch ein wohlgezieltes Feuer in die
Flucht trieben.
Neun Frauen und die fünf Panzerjäger hatten es geschafft. Von
den ursprünglich mehr als 50 Soldaten der 75. ID, die von Krakau
aufgebrochen waren, um ihre Division zu suchen, waren nur 27
Mann übriggeblieben.
35/111Kurz vor dem Ziel waren am Waldrand noch drei von ihnen
gefallen. Unter ihnen auch ihr Abteilgenosse, der Obergefreite
Paul Pfaff …
Fast zur gleichen Zeit saßen an diesem frühen Morgen im Vorraum
eines kleinen Hotels in Ilkenau (Olkusch) der Kompaniechef
der 2. Kompanie, Oberleutnant Schreiber, und sein
Kompanietruppführer, Feldwebel Noth, auf einem Sofa und
tranken aus einer Rotweinflasche, die ihnen ein Zahlmeister geschenkt
hatte. Sie waren die ganze Nacht auf den vereisten
Straßen, auf denen sich die Kolonnen gestaut hatten, unterwegs
gewesen und deshalb hundemüde.
Schreiber nahm einen kräftigen Schluck aus der Flasche und
verzog das Gesicht:
„Ist das ein saures Gesöff. Ich hatte mich schon gewundert,
warum der Zahlmeister so freigebig war.“ Er reichte Noth die
Flasche und grinste. „Aber schön war’s doch, daß diesmal die 3.
Kompanie die Dummen waren, in Warthenau hatten sie uns
reingelegt.“
Worüber sich der Oberleutnant freute, war folgendes: Als er
die Ankunft seiner Kompanie in Ilkenau (Olkusch) beim dortigen
Kampfkommandanten, einem Generalmajor namens Liss, gemeldet
hatte, wollte dieser die 2. Kompanie sofort einsetzen.
Schreiber hatte jedoch mit treuherziger Miene beteuert, daß
seine „Hornissen“ keinen Tropfen Sprit mehr hätten. In Wahrheit
waren die Tanks aber noch zu zwei Dritteln gefüllt gewesen. Bei
den mot.-Truppen achtete aber jeder Einheitsführer eisern darauf,
daß seine Fahrzeuge immer voll betankt waren und möglichst
noch Reservebenzin mitführten. Der General kannte das offenbar
nicht, und so bekam Schreiber tatsächlich zwei Kubikmeter
für die Kompanie zugewiesen, die auf dem Marktplatz gleich
aufgefüllt wurden. So hatte Hauptmann Berger, der mit seiner 3.
36/111Kompanie später eintraf, den Schwarzen Peter, und mußte sofort
in Stellung fahren.
Es war aber nur eine kurze Galgenfrist, denn schon wenig
später waren Schreiber und Noth unterwegs, um bei Kosmolow
die zugewiesene Stellung zu erkunden. Kurz vor ihrem Ziel wurden
sie jedoch vom Melder Pfeil eingeholt. Der Auftrag hatte sich
geändert, das neue Ziel war Przeginia.
An der Wegegabel bei Steniczno trafen sie auf die Kampffahrzeuge.
Generalmajor Liss war persönlich dabei:
„Erhielt eben Meldung, bei B-1-Stellung Ostrand Przeginia
feindliche Panzer. Auftrag für Sie: Panzer vernichten! Komme
mit, will mir mal eine Panzerschlacht ansehen.“
Schreiber argwöhnte, daß der gute General in diesem Krieg
überhaupt noch keinen Schuß gehört hatte. Nun, er sollte seinen
Willen haben. Unteroffizier Diebinger und Feldwebel Noth wurden
als Aufklärer in zwei VW vorausgeschickt, die „Hornissen“
folgten in mäßigem Tempo.
Nach einer halben Stunde kam Noth angerumpelt und
meldete:
„Die B-1-Stellung ist nicht mehr besetzt. Wir sahen gerade
noch, wie eine größere Gruppe des Volkssturms in einem Wäldchen,
nördlich von Przeginia, verschwand. Ostwärts des Ortes ist
eine Höhe, dahinter waren Motorengeräusche zu hören, zweifellos
Panzer.“
Przeginia tauchte auf. Es erwies sich als ein außerordentlich
langgestreckter Ort. In der Mitte, in Höhe der Kirche, ließ
Schreiber halten, wies den ersten Zug nach links, den 3. Zug nach
rechts in die Felder und blieb mit dem 2. Zug auf der Ortsstraße.
So näherte sich die Kompanie in breiter Front dem Ostrand
von Przeginia. Dort stand Diebinger und wies auf die Höhe, wo in
diesem Augenblick die letzten drei, die mutigsten des Volkssturms,
mit wehenden Mänteln, davonhasteten. Kaum hatten sie
37/111den Ortsrand erreicht, als mit heulenden Motoren und lautem
Kettengerassel die Türme mehrerer T-34-Panzer20)
auf der Höhe
sichtbar wurden. Sechs Panzer rollten über die nun leere B-1-Stellung,
um auf Przeginia vorzustoßen. Sie hatten wohl kaum
damit gerechnet, auf eine starke Pak-Front zu treffen.
Die „Hornissen“ eröffneten sofort das Feuer. Trotz der kurzen
Entfernung verfehlten die ersten Schüsse alle ihre Ziele. Durch
die langen Märsche waren die Kanonen dejustiert, ein Leiden,
das auf die Länge der Rohre von mehr als 6 Meter zurückzuführen
war. Auf sie wirkten sich die Vibrationen bei den Märschen
besonders stark aus.
Die Kommandanten hatten die Fehlschüsse jedoch beobachtet
und gaben ihren Richtschützen sofort Korrekturen. Schon blitzte
es auch bei den russischen Panzern auf. Eine Granate schlug dicht
neben der Nr. 201 in ein Haus ein; es war der Chefjäger, auf
dem auch der Generalmajor stand, um den Kampf zu beobachten.
Er war sicher schon siebzig, aber Mut hatte er.
Ein T 34 wurde getroffen, allerdings war es ein Abpraller.
Doch die nächste Granate schlug durch, der vorderste russische
Panzer begann zu qualmen, die Besatzung bootete blitzschnell
aus und rannte zurück.
Nun fuhren auch die übrigen Russenpanzer, so schnell sie konnten,
rückwärts. Sie wagten es nicht zu wenden, um den „Hornissen“
nicht die viel schwächeren Seitenwände darzubieten. Für
diese russische Panzergruppe war es sicher der erste harte Widerstand,
seitdem sie am Baranowbrückenkopf zu ihrer grandiosen
Sturmfahrt angetreten war.
Kurz bevor die T 34 hinter der Höhe verschwinden konnten,
wurde einer von ihnen noch voll getroffen und blieb brennend
stehen. Dann trat Ruhe ein, nur das Geknatter der explodierenden
Munition war noch zu hören.
38/111Der General war begeistert: „Ausgezeichnet gemacht!“ lobte er.
„Wie wäre es, wenn Sie mit Ihrer Kompanie die Stellungen oben
auf der Höhe besetzten?“
„‚Hornissen‘ in vorderster Front ohne infanteristische Sicherung,
Herr General, das ist unmöglich, und wurde vom Inspekteur
der Panzertruppen ausdrücklich verboten. Ohne Schutz dürfte
ich überhaupt nicht hier bleiben. Ich schlage jedoch vor, die
Kompanie igelt21)
hier am Ortsrand, und Sie schicken uns so
schnell wie möglich infanteristischen Schutz.“
„Einverstanden! Sie machen das schon richtig. Werde so bald
wie möglich ein Bataillon vorschicken. Habe allerdings nur
Alarmeinheiten zur Verfügung.“ Damit verabschiedete sich der
General und fuhr offenbar zufrieden mit der erlebten „Panzerschlacht“
nach Ilkenau zurück.
Schreiber aber war mit der Trefferausbeute seiner Kompanie
gar nicht zufrieden. „Noth, gehen Sie zu den Zügen!“, befahl er,
„Kanonen werden sofort justiert, aber nicht alle auf einmal.
Außerdem sollen sich die Jäger schnellstens Stellungen in guter
Dekkung suchen, tarnen nicht vergessen. 1. Zug nach Nordosten,
3. Zug nach Südwesten sichern.“
Der Rest des Tages verlief erstaunlich ruhig. Von Osten her
war nichts mehr zu hören. Anscheinend hatten die Panzer nur
eine schwache Vorausabteilung gebildet und sich nun zurückgezogen.
Wie ein Spähtruppunternehmen ergab, war die Stellung
auf der Höhe aber von russischer Infanterie besetzt.
Der Kompaniegefechtsstand war in der Mitte des Ortes in
einem größeren Haus eingerichtet worden. Zunächst wurde
gebrutzelt, dann versuchte alles zu schlafen, wie übrigens die
ganze Kompanie, natürlich mit Ausnahme der Wachen.
In der Nacht wurde der Kompaniechef von Funkunteroffizier
Beer geweckt: „Ein Hauptmann ist draußen, Herr Oberleutnant,
er sagt, er sei von der Alarmeinheit.“

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